Donnerstag, 19. Juni 2008

Tim Russert, R.I.P.

Der amerikanische TV-Journalismus ist am Freitag erschüttert worden. Einer der Größten und Besten ist überraschend im Alter von 58 Jahren gestorben: Timothy John Russert von NBC.

Erst in der Nacht zuvor war Tim Russert von einer Italien-Reise mit seiner Frau Maureen Orth und seinem Sohn Luke Russert, der gerade seinen College-Abschluss gemacht hatte, zurück gekommen. Am frühen Freitag-Nachmittag brach er schließlich auf Grund eines Herzinfarkts in seinem Büro zusammen und starb im Krankenhaus. Nachdem die Familie informiert worden war, unterbrachen NBC, CNBC und MSNBC ihr laufendes Programm und Tom Brokaw machte die Nachricht publik.

Tim Russert war zuletzt Chef des Washingtoner Büros von NBC News. Berühmt machte ihn die sonntägliche Polit-Talkshow "Meet the Press", die er seit 1991 moderierte. Sie ist die am längsten laufende Show im US-Fernsehen. Letzten Sonntag wurde sie von Tom Brokaw moderiert und in Russerts Gedenken gestaltet , wobei Tim Russerts Moderatorenstuhl leer blieb.

Russert war für seine Herkunft aus Buffalo, New York und für seine Leidenschaft für die Football-Mannschaft der Buffalo Bills bekannt, viele seiner Sendungen beendete er mit den Worten "Go Bills!". Eine ganz besondere Beziehung hatte er zu seinem noch lebenden Vater, genannt Big Russ. Über diese Beziehung schrieb er ein Bestseller-Buch - Big Russ & Me.

Als Moderator von "Meet the Press" lernte er in 17 Jahren sämtliche Größen der amerikanischen, sowie der Welt-Politik kennen. Wer in Amerika ein hohes Amt bekleiden wollte, musste sich einem Interview bei "Meet the Press" stellen. Sie alle, egal ob rechts oder links, respektierten Russert für seine Fairness und Objektivität. Sie alle zollten ihm in den Tagen nach seinem Tod Tribut - auch George W. Bush: "As the longest-serving host of the longest-running program in the history of television, he was an institution in both news and politics for more than two decades. Tim was a tough and hardworking newsman. He was always well-informed and thorough in his interviews. And he was as gregarious off the set as he was prepared on it."

Viele bemerkten, dass die Wahlnacht am 4. November dieses Jahres nicht das selbe sein würde, ohne Tim Russert auf dem Fernsehbildschirm zu sehen. Auch die letzten Worte einer jeden "Meet the Press"-Sendung "if it's Sunday, it's Meet the Press" wird von nun an jemand anders sprechen müssen.

Sonntag, 1. Juni 2008

Scott McClellan teilt aus

Es hat schon fast Tradition, dass ehemalige Mitarbeiter des Weißen Hauses Bücher über ihre Zeit im Dienste des Präsidenten veröffentlichen. Dass dabei sprichwörtlich schmutzige Wäsche gewaschen wird, kommt vor.
Scott McClellan, der zweite von insgesamt vier Pressesprechern Bushs, hat sich in seinem gerade erst erschienenen Buch "What Happened: Inside the Bush White House and Washington’s Culture of Deception" dazu entschlossen, einen fast beispiellosen Rundumschlag zu starten, der gerade auch seinen ehemaligen Chef einschließt. Das Buch hat Washington in helle Aufregung versetzt und die Medien, sowie die linksliberalen Blogs zitieren natürlich genüsslich daraus. Tja, so schnell wird man vom Feind zum besten Freund der Mainstream Media und der Liberals.

Was genau schrieb McClellan denn nun? Hier ein paar Punkte, um die es geht:

  • Den Irak-Krieg nennt er einen "groben strategischen Fehler" und "unnötig". Um den Krieg im Vorfeld zu rechtfertigen, sei eine "politische Propagandamaschinerie" in Gang gesetzt worden.
  • Das Bush-White-House befinde sich mental in einer permanenten Wahlkampagne.
  • Über Condoleezza Rice: Sie versuche stets geschickt ihren guten Ruf zu erhalten. Sie könne sich aus allen Schwierigkeiten herauswinden und wie ein Star erscheinen.
  • Über die Reaktion der Administration auf den Hurrikan Katrina: In der Woche danach habe das Weiße Haus Realitätsverweigerung betrieben. Die Reaktion der Behörden sei auf Autopilot geschaltet worden. Dass Präsident Bush zunächst nur in der Air Force One über das Katastrophengebiet flog, habe den Menschen zumindest die Impression gegeben, dass Bush "out of touch" gewesen sei. (Die Antwort Karl Roves auf diese Anschuldigung macht durchaus Sinn: In der ersten Zeit nach einer Katastrophe besuche Bush nie den jeweiligen Unglücksort, da schon die Sicherheitsvorkehrungen durch den Secret Service die gesamten Rettungsmaßnahmen lahm legen würden. Für die Anreise Bushs hätte damals etwa ein für die Rettungskräfte immens wichtiger Flughafen in New Orleans stundenlang gesperrt werden müssen.)
  • McClellan echauffiert sich besonders über die so genannte Plame-Affäre. Diese kostete ihm nämlich letztlich den Job und den Ruf. Sie ist wohl der Hauptgrund für seine Bitterkeit dem Weißen Haus gegenüber. Er, so McClellan, habe über zwei Jahre hinweg unwissentlich den Journalisten Lügen erzählt, die ihm (und auch George Bush) von Karl Rove und Scooter Libby erzählt worden seien. Diese hatten behauptet, mit der Affäre nichts zu tun zu haben. McClellan beschuldigt Rove und Libby, ihre Aussagen zur Plame-Affäre abgesprochen zu haben, da er die beiden ("zwei Leute, die sonst nie unter vier Augen miteinander sprachen") einmal nach einem Meeting zusammenstehen und miteinander reden gesehen habe. (Auch dazu nahm Rove Stellung und auch hier macht die Erklärung Sinn: Es sei erstens gewagt von McClellan, über ein Gespräch zu schreiben, dessen Inhalt er überhaupt nicht kenne und zweitens sei es ja wohl nichts Ungewöhnliches, dass der Chefberater des US-Präsidenten und der Stabschef des Vize-Präsidenten miteinander redeten. Dies sei täglich mehrere Male vorgekommen, zumal die Büros der beiden nur wenige Meter auseinander lagen).
  • Über Bush: Er überzeuge sich selbst, das zu glauben, was für ihn politisch gerade am besten ist und betreibe Selbsttäuschung, wenn es nur dem politischen Zweck diene.

Es erübrigt sich zu sagen, dass das Weiße Haus nach der Veröffentlichung des Buchinhalts restlos bedient war, galt McClellan doch als der Treueste der Treuen. Seit 1999 arbeitete der Texaner für Bush. Als dieser 2001 seine Präsidentschaft antrat, wurde McClellan Vize-Pressesprecher unter Ari Fleischer. Als dieser noch in der ersten Amtszeit seinen Posten verließ, wurde McClellan zum Pressesprecher ernannt. Dieses Amt hatte er von 2003 bis 2006 inne, bevor Tony Snow sein Nachfolger wurde. McClellan galt auch schon vor seiner Buchveröffentlichung als schlechtester der vier Pressesprecher Bushs. Speziell der Kontrast zu Tony Snow zeigte McClellans rhetorische Beschränkheit. Die Pressebriefings waren geprägt durch McClellans immer gleiche Standardsätze und dies in einer Zeit, in der Bush eigentlich jemanden auf dem Podium gebraucht hätte, der sich gegen die Wortverdreher von der Presse besser hätte wehren können.

Die Konservativen innerhalb und außerhalb des Weißen Hauses kritisieren McClellans Buch, teilweise scharf. Dem kann sich dieser Blog nur anschließen. In wie weit man McClellans Aussagen auch immer glauben schenken mag (hier steht es letztlich Aussage gegen Aussage mit dem Weißen Haus), es drängt sich einfach eine Frage auf: Wieso hat er seine Zweifel und seine Kritik nicht schon zu seinen aktiven Zeiten geäußert? Auch Ari Fleischer und die derzeitige Pressesprecherin Dana Perino, die mit am meisten mit McClellan im Weißen Haus zu tun hatten, sagen, dass sie keine Ahnung hatten, dass McClellan so denkt. McClellan selbst sagte als Pressesprecher zu anderen "Enthüllungsbüchern" über die Bush-Administration: "Why, all of a sudden, if he [ein ehemaliger Minister] had all these grave concerns, did he not raise these sooner? This is one-and-a-half years after he left the administration. And now, all of a sudden, he's raising these grave concerns that he claims he had." Eine Frage, die sich McClellan einmal selbst stellen sollte.

Ganz besonders echauffierte sich der ehemalige Senator und Präsidentschaftskandidat Bob Dole. Er schrieb McClellan eine Email, die sich gewaschen hat. Unter anderem heißt es darin: "There are miserable creatures like you in every administration who don't have the guts to speak up or quit if there are disagreements with the boss or colleagues. No, your type soaks up the benefits of power, revels in the limelight for years, then quits and, spurred on by greed, cashes in with a scathing critique."

Die Spekulationen über McClellans Motivation, so ein Buch zu schreiben, sind eröffnet; gerade auch, weil er als außergewöhnlich nett gilt . Es ist nicht überraschend, dass dabei das Wort "Profit" oft fällt. Gerade Verleger können da schon mal raten, doch ein bisschen Staub aufzuwirbeln. Vielleicht waren aber auch McClellans Bitterkeit und Rachegelüste Grund genug.

Dass gerade ein Mitarbeiter dieser Administration ein solches Buch verfasst, hätte sich vor einiger Zeit auch noch niemand vorstellen können; gelten die Mitarbeiter doch als eingeschworene Truppe, in der Loyalität als oberstes Gebot gilt. Auch Michael Reagan, der Sohn des 40. US-Präsidenten, sieht McClellans Verbrechen vor allem in der Verletzung dieses Gebots:

"It's amazing what some people will do for 30 pieces of silver. Scott McClellan
was given the signal honor of being the spokesman for the president of the
United States, a distinction few Americans have ever achieved. Being the
spokesman for the world's most powerful political figure is no small thing, and
I'm sure that the men and women who have held the post view their service as an
honor more given than deserved. It doesn't appear as if McClellan sees it that
way. He is not the first press secretary to be forced out of the job, and he
won't be the last. But he'll be the first to sink his teeth into the hand that
gave him the job in the first place."

Loyalität – ein unabdingbarer Bestandteil von Integrität. So sieht es George Bush. Es ist seit jeher eine seiner größten Stärken – und eine seiner größten Schwächen. Einmal mehr muss er erkennen, dass Loyalität geben nicht automatisch Loyalität bekommen heißt.

(Hier noch ein Link zum einem Artikel, der sich mit dem Inhalt des Buchs auseinandersetzt.)