Donnerstag, 11. Februar 2010
Ja, wir vermissen ihn!
Vor einigen Monaten war auf diesem Blog von einem Bild die Rede, das auf einigen konservativen Internetseiten kursierte. Da winkte George W. Bush und fragte: "Miss me yet?"
Vor ein paar Tagen tauchte dieses Bild auf einer Reklametafel an einer Autobahn im US-Bundesstaat Minnesota auf. Die Auftraggeber wollen sich (noch nicht) zu erkennen geben. Nach den Recherchen von Fox News handelt es sich um eine Gruppe von Kleinunternehmern.
Der konservative Jeffrey Scott Shapiro hat zu dieser Reklametafel einen kleinen Artikel auf FoxNews.com veröffentlicht. Shapiro sieht in der Reklametafel ein Zeichen von "hope and change". Die Bush-Fans trauten sich nach einem Jahr Obama demnach wieder in die Offensive, um ohne Scheu zu bekunden: "We do miss President Bush, and we will never forget what he did for America and the world; not now, not ever."
Donnerstag, 28. Januar 2010
State of the Union Address 2010
Insgesamt zeigte Barack Obama wieder einmal, dass er der beste Telemprompter-Ableser der Welt ist. Schlecht war die Rede sicherlich nicht. Herausragend ist aber auch etwas völlig anderes. Schwer zu glauben, dass Obama es heute Nacht schaffte, seine Umfragewerte langfristig aus dem Keller zu holen. Zumal letztlich sowieso nur Taten zählen. Und damit hat's der 44. Präsident der USA ja bekanntlich nicht so.
Die Stimmung unter den Abgeordneten war ziemlich parteiisch. Das häufigste Bild: Demokraten mit stehenden Ovationen, Republikaner, die stumm sitzen bleiben. Bei einigen Themen waren laut einer Kommentatorin von CNN auch viele versteinerte Gesichter unter den Demokraten zu sehen.
Hier einige Beobachtungen zur diesjährigen Rede:
Neben dem Präsidenten selbst, sind stets zwei andere Personen auf besondere Weise im Blickfeld: Der Vizepräsident, der in seiner Eigenschaft als Präsident des Senats, rechts hinter dem Präsidenten sitzt und der Speaker, der links hinter dem Präsidenten sitzt. Die derzeitige Kombination heißt Joe Biden und Nancy Pelosi, was für sich allein schon ein ernster Grund ist, sich diese Rede erst gar nicht anzutun. Joe und Nancy schienen ihre Kleidung aufeinander abgestimmt zu haben: Er mit lila gestreifter Krawatte, sie mit lila Kostüm.
Besonders widerlich waren Joes verliebte Blicke auf seinen Chef, gepaart mit einem dauerhaften dämlichen Grinsen und ständigem Kopfnicken. Wie wünscht man sich da die Tage zurück, als Dick Cheney sich alle Mühe gab, nicht einzuschlafen, oder genüsslich ein paar Bonbons lutschte. Nancy Pelosi konnte ihr hysterisches Aufspringen und Applaudieren auch diesmal nicht lassen, verhielt sich aber nicht ganz so schlimm wie bei früheren Anlässen dieser Art. Trotzdem wäre das Aufspringen Pelosis auch diesmal wieder eine gute Gelegenheit für Trinkspiele gewesen.
Der Anfang der Rede war ganz im amerikanischen Pathos gehalten, mit dem Obama versuchte, den nie aufgebenden US-Spirit zu beschwören, und dem Land in diesen schweren Zeiten Mut zuzusprechen. Dies bewirkte erste stehende Ovationen von beiden Lagern. Obama: "We do not give up, we do not quit!"
Absolut langweilend ist das ständige Lamentieren über die parteiliche Stimmung in Washington. Ja, wir haben's verstanden - aber auch Barack wird daran nichts ändern. Zumal er seinen Teil tagtäglich dazu beiträgt.
Dann folgte jedoch der erste Drang, umzuschalten, oder gleich ins Bett zu gehen, als Barry O. begann, auf den Banken und der Wall Street rumzuhacken. Es sind erste klare Differenzen unter den Abgeordneten zu erkennen: Die Demokraten können sich kaum halten vor Begeisterung, die Republikaner bleiben auf ihren Händen sitzen. Die gleiche Reaktion ist zu sehen, als Obama aufzählt, wie seine Regierung auf die Finanzkrise reagiert hat. Er spricht von Steuersenkungen, die seine Administration auf den Weg brachte. Als die Republikaner darauf nicht reagieren, sagt er scherzhaft: "Ich dachte, dafür würde ich auch auf dieser Seite Applaus kriegen." Da muss selbst der oberste Republikaner im Repräsentantenhaus, John Boehner, grinsen.
Die gleiche geteilte Reaktion ist zu sehen, als Obama über das Konjunkturpaket (the stimulus bill) spricht. Obama zählt Einzelfälle auf, wo das Gesetz Arbeitsplätze geschaffen hat. Seine negativen Folgen werden erwartungsgemäß unter den Teppich gekehrt. Den stehenden Ovationen nach zu urteilen, sind sich aber Demokraten und Republikaner einig, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen oberste Priorität haben muss. Obama spricht von einem "Jobs Bill", das er bald verabschiedet sehen will. Die Republikaner scheinen wenig begeistert.
Neben Nancy Pelosi verwechseln noch andere Demokraten die Kammer des Repräsentantenhauses mit einem Fitnessstudio: Manche Demokraten springen bei jedem noch so kleinen Zwischenapplaus frenetisch auf und feiern ihren Liebling.
Dann beginnt bei jedem Loyal Bushie endgültig die Übelkeit: Keine Obama-Rede ohne das altbekannte Spiel "Blame Bush". Das letzte Jahrzehnt wird von Obama wirtschaftlich als "lost decade" bezeichnet. Man traut seinen Ohren nicht.
In Bereichen wie Umwelttechnologien und Bildungspolitik werden Länder wie Indien und Deutschland als Vorbilder herausgestellt. Aahh, so was hören Amerikaner gern - vor allem die außerhalb von Los Angeles oder New York.
Dann endlich ein Grund, US-Politik im Allgemeinen wieder zu mögen: Barack fordert den Bau neuer Kernkraftwerke! So loben wir uns die Amis.
Ansonsten bringt das Thema Umweltschutz wieder überaus geteilte Reaktionen unter den Abgeordneten hervor: Als Obama ein umfassendes Umweltgesetz fordert, zeigen die Republikaner starre Mienen. Applaus bekommt der Präsident von ihnen nur, als er erwähnt, dass manche den Klimawandel anzweifeln. Na ja, sinngemäß - wortwörtlich spricht Obama davon, dass einige "the overwhelming scientific evidence on climate change" (ha ha, darf man lachen?) anzweifeln.
Eingermaßen erträglich wird es erst wieder, als Obama sich als Anhänger des freien Handels zeigt. George Bush wird an diesem Abend zum ersten Mal stolz auf seinen Nachfolger gewesen sein.
Dann folgte DAS Thema: Die Gesundheitsreform. Recht sympathisch ist Obamas anfängliches Kokettieren mit den Schwierigkeiten und politischen Konsequenzen, die dieses Vorhaben im letzten Jahr mit sich brachte - gerade auch für ihn persönlich.
Dann stellt Obama jedoch die Vorzüge einer solchen Reform dar - also aus seiner subjektiven Sicht natürlich. Wenn man das alles glauben würde, hätte Barack tatsächlich die perfekte Gesundheitsreform gefunden und man fragt sich, wie überhaupt auch nur ein Kongressabgeordneter dagegen sein kann.
Er impliziert: Besser irgendeine Reform, als gar keine. Na ja, irgendein Murks wird auch niemandem helfen.
Das Thema Staatsdefizit taucht auf und das heißt: "Blame-Bush"-Zeit!!!! Die Republikaner lassen die paar Sätze gelangweilt über sich ergehen. Barack findet grad noch so die Größe, zumindest eine Billion Dollar des Defizits auf seine Kappe zu nehmen. Puuh, da sind wir aber erleichtert.
Dann etwas aus der Rubrik: Was interessiert mich mein Geschwätz von Gestern (bzw. aus dem Wahlkampf)? Präsident Obama fordert ab 2011 eine dreijährige teilweise Haushaltssperre. Wie schön, dass McCain das im Wahlkampf gefordert hat, während Obama strikt dagegen war.
Des weiteren künidgt Obama die Bildung einer "Fiscal Commission" an. Also das Prinzip: "Wenn du nicht mehr weiter weißt, bilde einen Arbeitskreis". Eine solche Fiscal Commission wurde gestern noch vom Senat abgelehnt. Obama kündigt an, dieses Votum mit einem Exekutivbefehl ("Executive Order") zu umgehen. Als Bush solche Sachen machte, wurde ihm praktisch die Aushebelung der Demokratie vorgeworfen, aber was soll's.
A propos Bush: Der wurde ja schon lange nicht mehr in die Pfanne gehauen. Also los geht's mit folgendem Abschnitt: “From some on the right, I expect we’ll hear a different argument – that if we just make fewer investments in our people, extend tax cuts for wealthier Americans, eliminate more regulations, and maintain the status quo on health care, our deficits will go away. The problem is, that’s what we did for eight years. That’s what helped lead us into this crisis. It’s what helped lead to these deficits. And we cannot do it again.” Mal schauen, wann Obama das nächste Mal beschwört, die Vergangenheit ruhen zu lassen.
Dann spricht Obama mal wieder davon, das Rad in Washington neu erfinden zu wollen: Weniger Parteilichkeit, mehr Transparenz, das Vertrauen bei den Bürgern wieder herstellen und so weiter und so fort. GÄHN!
Als Obama auf die so genannten "Earmarks" schimpft, also Staatsausgaben, die einzelne Abgeordnete in irgendwelchen Gesetzen verstecken, wird die Heuchelei himmelschreiend. Wer unterschreibt denn ständig Gesetze, die voll von diesem Zeug sind!?
Während man sich über diese Heuchelei noch aufregte, konnte man schon über den Witz des Tages lachen, als Barack verlauten ließ: "I'm not naive."
Schön war zumindest, dass Obama bei diesem Abschnitt über das Verhalten der Politiker in Washington betonte, dass er hier zu beiden Seiten spreche, also auch zu den Demokraten. Das war auch bitter nötig, denn das, was er an dieser Stelle kritisierte, haben die Demokraten von 2001 bis 2009 pausenlos gemacht.
In diesem Teil der Rede tat Obama etwas, das eigentlich unüblich ist: Er nahm den Supreme Court aufs Korn. Dieser hatte vor ein paar Tagen ein Gesetz zur Wahlkampffinanzierung gekippt und diese Entscheidung passte Barack augenscheinlich überhaupt nicht. Heute ist in den Medien verbreitet zu hören und zu lesen, dass der konservative Richter Samuel Alito seinem Unmut über Obamas Gerede freien Lauf ließ, indem er den Kopf schüttelte und Dinge wie "not true" vor sich hin murmelte. Eine astreine Supreme-Court-Besetzung, Mr. Bush.
Für einen Außenpolitiker wie mich, folgte dann der beste Teil: Außen- und Sicherheitspolitik. Als Obama von Amerikas Sicherheit und deren Erhalt spricht, rufe ich mir das letzte Jahr in Erinnerung und versuche in meinem Gedächtnis, auch nur eine Maßnahme Obamas zu finden, die da geholften hätte. Fehlanzeige!
Ich erinnere mich allenfalls an seine "Ich-entschuldige-mich-für-mein-Land-und-seine-vielen-Fehler"-Tour, als Barry O. sagt, er habe die Partnerschaften zu Ländern vom Pazifik, über Südasien bis zur Arabischen Halbinsel gestärkt.
Das Thema Afghanistan wird praktisch in einem Satz abgehandelt: Wieder wird der US-Abzug für 2011 angekündigt. Man kann die Autokorsos der Taliban in Kabul fast hören.
Dann kommt Obama auf den Irak zu sprechen und mein angewidertes, ja entsetztes Kopfschütteln verursacht fast ein Schleudertrauma: Obama spielt sich als den Beender des Irakkrieges auf, der die US-Truppen zum glorreichen Sieg geführt hat. Angemessener wäre es gewesen, die Adresse George Bushs zu nennen mit der Aufforderung, die Dankesschreiben bitte dorthin zu schicken. Zur Erinnerung: Als es darum ging, den Irak in Schande zu verlassen und den Terroristen zu überlassen, oder ein letztes Mal aufzustehen und zu kämpfen, war Barack für Option A, während Bush den Arsch in der Hose hatte, Option B anzuordnen.
Dann das obligatorische und genauso berechtigte Lob an die Truppen, das zurecht stehende Ovationen auf beiden Seiten hervorrief.
Nächstes Thema: Nuklearwaffen. Barack spricht wieder von seinem (stupiden) Traum einer nuklearwaffenfreien Welt. Nordkorea und Iran werden im Vorbeigehen erwähnt. Na ja, was soll Barack dazu auch sagen, wo er da doch NICHTS erreicht hat! Er kündigt dem Iran immerhin "growing consequences" an. Ahmadinedschad kann sich sicherlich vor Angst kaum halten. Oder vor Lachen.
Das Thema Guantanamo erwähnte Obama (wohl sicherheitshalber) mit keinem Wort. Damit blieb uns zumindest eine weitere Entschuldigungsrede erspart. Vielleicht hat ja auch Obama mittlerweile geschnallt, dass das bei den Amerikanern nicht sonderlich gut ankommt.
Daraufhin war ich leicht, oder sagen wir mal, massiv irritiert, denn Barack schien mit dem Thema Außen- und Sicherheitspolitik durch zu sein. Nach gefühlten fünf Minuten. Ääähh, ist da nicht diese Kleinigkeit namens "war on terror"? Landeanflug auf Detroit oder so? Klingelt da was? Oder wenigstens ein paar deutliche Ansagen an die bin Ladens dieser Welt? So was wie "wir werden euch kriegen und euch zuerst mit unseren Soldaten und dann mit Demokratie und Freiheit den Hintern aufreißen"?
Ohne Worte.
Amerika hat wichtigere Probleme als das, denn statt dessen folgte die faktische Forderung nach einer Abschaffung des Prinzips "don't ask, don't tell" beim US-Militär. Die Republikaner mit versteinerter Miene.
Dann schließt sich der Kreis. Obama beendet seine Rede mit dem selben Tenor, mit dem er sie begonnen hat. Und man muss diesen amerikanischen Pathos einfach lieben - egal, von wem er kommt. Obama beschwört Amerikas Ideale und Werte, spricht über sein Versprechen auf Wandel. Das ist dann wohl der erwartete Teil, in dem er versucht, sein persönliches Rad rumzureißen. Ein weinerliches "Ich hab ja nie gesagt, dass es einfach werden würde", kann er sich nicht verkneifen. Es herrscht erstaunliche Stille im Saal. Pelosi und die Demokraten springen noch nicht mal auf, als Obama sein "change we can believe in" wiederholt.
Um 4.20 Uhr deutscher Zeit sprach Obama die Worte: "God bless America!"
Donnerstag, 31. Dezember 2009
2009 - ein Jahr endet
Gestattet mir am letzten Tag des Jahres 2009 ein paar persönliche Worte und einen persönlichen Rückblick, der über die eigentliche Thematik dieses Blogs hinaus geht:
Es ist mal wieder Zeit für die besonders sentimentalen Stunden im Verlauf eines Jahres: Die letzten Stunden. Man blickt auf die vergangenen zwölf Monate zurück und erinnert sich mit Freude oder auch Wehmut an Momente oder ganze Tage, die aus gutem Grund im Gedächtnis geblieben sind: Weil sie besonders schön, besonders schlecht, oder auf irgendeine andere Weise herausragend waren. Alles andere nennen wir mal das Alltägliche, an das wir uns nicht mehr im Detail erinnern.
Man zieht in diesen Stunden Bilanz: Was war gut, was war schlecht? Was hätte man besser machen können? Und im besten Fall zieht man aus den Antworten nützliche Lehren, die einem im nächsten Jahr weiter helfen werden.
Was das Thema dieses Blogs betrifft, fand der Paukenschlag, den 2009 bereit hielt, gleich am Anfang statt: George W. Bush schied am 20. Januar aus dem Präsidentenamt aus und wurde zum ehemaligen Präsidenten Bush. Von einem Tag auf den anderen war es vorbei mit seinen täglichen öffentlichen Auftritten und den täglichen Nachrichten über ihn und seine Politik. Im Gegensatz zu Dick Cheney verschwand Bush praktisch völlig. Er zog sich nach Texas zurück, um dort die Projekte der nächsten Zeit anzustoßen: Der Bau seiner Präsidentenbibliothek und die Veröffentlichung seines ersten Buches nach der Präsidentschaft. Keine großen Interviews, nur ein offizieller Auftritt bei der Beerdigung Ted Kennedys und nur eine öffentliche Rede am 4. Juli, die in den Medien aber allenfalls in einem Nebensatz erwähnt wurde. George Bushs Zeit war wirklich vorbei. Auf acht Jahre tägliche öffentliche Anwesenheit folgte die fast vollständige Abwesenheit. Für jeden Bush-Fan ein Bruch, der erst einmal verdaut werden musste.
Der Abschied eines Präsidenten bedeutete die Ankunft eines anderen: Barack Obama. Letztlich ist es wohl so gelaufen, wie man (also wir mit Verstand gesegneten Obama-Skeptiker) sich das vorstellen konnte: Obambi musste einsehen, dass die Welt nun mal kein Ponnyhof ist, dass Politik das Bohren dicker Bretter bedeutet, dass sich Tyrannen und Terroristen nicht durch ein paar nette Worte und Zugeständnisse besänftigen lassen, und dass schöne Reden keine Taten oder Ergebnisse ersetzen. Diese Desillusionierung fand nicht nur bei Obama, sondern auch bei seinen Anhängern statt. Die ersten Meinungsforschungsinstitute sehen Obama in den USA bei Zustimmungswerten von unter 50%. Aber immerhin sehen ein paar Herren in Oslo in Obama noch den Messias. Jedenfalls sorgten sie mit der Entscheidung, den Friedensnobelpreis ans Weiße Haus zu schicken, für den Kopfschüttler des Jahres.
Was die deutsche Politik betrifft, war 2009 vor allem eines: Bundestagswahljahr. Wirklich im Fokus stand die Wahl jedoch nur um den Wahltag herum. Ein Wahlkampf fand nämlich praktisch überhaupt nicht statt. Die noch regierende Große Koalition machte es möglich. Steinmeier konnte nicht und Merkel wollte nicht. Möglich waren eh nur zwei Konstellationen: Eine weitere Große Koalition oder zum ersten Mal nach elf Jahren wieder Schwarz-Gelb. Deutschland zuckte ob dieser Wahl zwar mit den Schultern, entschied sich am 27. September dann aber doch recht deutlich für Zweiteres.
Für mich war das der politisch mit Abstand erfreulichste Tag des Jahres. Hatte ich doch elf Jahre lang auf diese Koalition gewartet.
In den Geschichtsbüchern wird unter dem Eintrag „2009“ stehen (und das ist sicherlich eine persönliche Auswahl), dass Barack Obama US-Präsident wurde, dass auf der ganzen Welt Schweinegrippe und Finanzkrise grassierten, dass die NATO, die Bundesrepublik und der Mauerfall Jubiläen feierten, dass der Lissabonvertrag in Kraft trat, dass die zweite Große Koalition von Schwarz-Gelb abgelöst wurde, dass ein anderes Schwarz-Gelb seinen 100. Geburtstag feierte, dass es im Iran mutige Demonstranten gab, dass in Italien die Erde bebte, dass es ein turbulentes Jahr für Opel war, dass bei einem Amoklauf in Winnenden 15 Menschen starben, dass Afghanistan spätestens durch den Bombenangriff in Kundus wieder ins Rampenlicht rückte, dass die Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Berlin von Usain Bolt beherrscht wurde, dass der Literaturnobelpreis an Deutschland ging, und dass der Tod Michael Jacksons die Welt und der Selbstmord Robert Enkes die Bundesrepublik erschütterte.
Und dann ist da auch immer das persönliche Geschichtsbuch:
Ich kann sagen, dass 2009 für mich ein Jahr ohne große Katastrophen oder Tragödien war – und nichts ist annähernd so wichtig wie das. Sicher, Enttäuschungen, Niederlagen und Schwierigkeiten hat es gegeben – aber Tod und Krankheit sind fern geblieben. Noch mal: Nichts ist annähernd so wichtig wie das. Und alles in allem habe ich keinen Zweifel, dass die schönen Stunden zahlreicher waren als die dunklen. Wohl wissend, dass Erstere ohne Letztere keine Bedeutung haben.
Ansonsten hat sich dieses Jahr für mich dadurch ausgezeichnet, dass ich einigen neuen Menschen begegnet bin, die ich nicht nur flüchtig kennen gelernt habe, sondern die so etwas wie ein Teil meines Lebens und meines Alltags geworden sind und beides bereichert haben. Es ist schon komisch, wenn man darüber nachdenkt: Beim Eintritt in dieses Jahr wusste ich teilweise noch nicht einmal, dass sie existieren und heute, am Ende dieses Jahres, sind sie nur noch schwer wegzudenken – auch jene, die letztlich doch nicht auf Dauer geblieben sind, aber Erinnerungen geschaffen haben.
Und man stellt sich die Frage, welchen Menschen man 2010 begegnen wird, die man heute noch nicht kennt, die aber in zwölf Monaten ihre Spuren hinterlassen haben werden.
Dieser Jahreswechsel markiert auch das Ende eines Jahrzehnts. Auch hier gilt die Teilung zwischen Weltgeschehen und dem persönlich Erlebten. Das Jahrzehnt begann mit Terror (9/11) und endete damit (der gescheiterte Terroranschlag in Detroit). Für alle, die es so sehen wollen, spricht das Time Magazine von einem „Jahrzehnt aus der Hölle“.
Für mich persönlich gilt, dass in diesem Jahrzehnt der wichtigste Teil meiner Jugend stattfand. Man verzeihe mir also, wenn ich die Dekade zwischen 2000 und 2010 nur schwerlich als „Jahrzehnt aus der Hölle“ sehen kann.
Was bedeutet der Jahreswechsel überhaupt? Im Grunde markiert diese Sekunde, zwölf Uhr Mitternacht am 31.12., weder ein Ende noch ein Anfang – sondern ein Weitermachen, wie Hal Borland es ausdrückte. Es bleibt ja doch alles beim Alten. Und dennoch ist da dieses Aufschlagen einer neuen Seite, dieser Neubeginn, dem laut Hermann Hesse ein Zauber inne wohnt.
Man steht auf der Straße, schaut sich das Feuerwerk an und hört die Glocken läuten – zwölf Mal. Für jedes der vergangenen Monate einmal – und für jedes der kommenden.
Rolf Ramin schreibt über diesen Moment: „Schaut nur auf die gute, alte Wanduhr, ihr ewig Zweifelnden, ihr Verzagten. Gleich werden die beiden Zeiger übereinander stehen, der große und der kleine. Und sie werden nach oben weisen, steil nach oben. Gibt es ein besseres, ein gültigeres Symbol für die Hoffnung? Hört, das war der erste Schlag,...der zweite....der dritte. Wir wollen uns fest an den Händen fassen und lächeln. Merkt es euch gut, Freunde, dieses Lächeln. Wir werden es gebrauchen können.“
Letztlich hat auch 2009 eines gezeigt: Dass es immer weiter geht - ob George W. Bush nun abtritt, Minarette in der Schweiz verboten werden, Usain Bolt zweifelhafte Rekorde aufstellt, Jacko stirbt oder man persönlich durch das ein oder andere Tal gehen muss.
Was auch passiert – 2010 wird da nicht anders sein.
Glück auf!
Freitag, 25. Dezember 2009
FROHE WEIHNACHTEN!!!
Weihnachtsgedicht
Still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend geh' ich durch die Gaßen,
Alles sieht so festlich aus.
An den Fenstern haben Frauen
Buntes Spielzeug fromm geschmückt,
Tausend Kindlein stehn und schauen,
Sind so wunderstill beglückt.
Und ich wandre aus den Mauern
Bis hinaus ins freie Feld,
Hehres Glänzen, heil'ges Schauern!
Wie so weit und still die Welt!
Sterne hoch die Kreise schlingen,
Aus des Schnees Einsamkeit
Steigt's wie wunderbares Singen -
O du gnadenreiche Zeit!
(Joseph Freiherr von Eichendorff)
Freitag, 9. Oktober 2009
Der Witz des Jahrtausends
Ich meine, man hat ja nichts mehr, aber auch gar nichts mehr vom Friedensnobelpreiskomitee erwartet, nachdem Leute wie Jimmy Carter, Jassir Arafat und Al Gore damit ausgezeichnet wurden. Im Prinzip wartet man Jahr für Jahr darauf, dass das Komitee die lächerliche Entscheidung des Vorjahres übertrifft. Man fragt sich allerdings, womit DIESE Friedensnobelpreisverleihung 2010 noch übertroffen werden kann. Wie wär's mit Britney Spears oder gleich Ahmadinedschad im nächsten Jahr? Da würde man sich die entscheidende Frage auch nicht mehr stellen, als jetzt bei Obama? WOFÜR BITTE??? Obwohl einem bei eben genannten Personen ja doch noch was einfallen würde: Britney bringt bei ihren Konzerten Menschen verschiedenster Ethnien zusammen und Ahmadinedschad hat es bis nächsten Oktober ja vielleicht geschafft, Israel von der Landkarte zu tilgen und damit ist der Weltfrieden ja bekanntlich erreicht. Einer wird ihm dabei ganz sicher nicht im Weg stehen: Der Gewinner des Friedensnobelpreises 2009.
Schauen wir uns die letzten neun Monate mal an (wobei noch mal betont werden muss: Die Nominierungsfrist endete bereits am 1. Februar 2009). Wie sehen sie aus, die großen Taten von The One, die uns nach Osloer Logik den Frieden gebracht haben? Hier eine kleine Auswahl:
Da wäre zum Beispiel die "Ich-entschuldige-mich-für-mein-Land-und-den-Westen-im-Allgemeinen,-dessen-Politik-und-weiß-dass-sämtliche-Fehler-bei-uns-liegen"-Tournee, die Barack Obama sogar in muslimische Länder führte. Der Höhepunkt dieser Reise war seine Rede in Kairo.
Dann kam er auf die glorreiche Vision einer atomwaffenfreien Welt. Dabei hat er wohl nicht bedacht, dass er in Wirklichkeit gar nicht der Messias ist, das Rad der Zeit also nicht mal eben ein paar Jahrzehnte zurückdrehen kann. Der zweite Denkfehler war, dass die allerletzten Länder, die diese Vision in aller Aufrichtigkeit wahr werden lassen wollen die sind, die am wenigsten Atomwaffen haben dürfen.
Jeder Durchgeknallte, der in seinem Land ein paar Arbeitslager, Folterkammern, diktatorische Verhältnisse oder illegale Atomwaffenambitionen hat, durfte den US-Präsidenten seit dem 20. Januar dieses Jahres seinen neuen Kumpel nennen. Die Gesprächsangebote und Zugeständnisse des Barack O. waren zahlreich, die Ergebnisse liegen bei null, zero, nada, niente.
Umgekehrt haben all jene seit dem 20. Januar, zwölf Uhr mittags, sämtliche Unterstützung aus Washington verloren, die sich gegen die bereits angesprochenen Durchgeknallten unter Einsatz ihres Lebens aufgelehnt haben. Die Menschen in Honduras und dem Iran beispielsweise werden Barack bestimmt ewig dankbar dafür sein, dass er als Präsident das tat, was er schon als Senator so unglaublich gut konnte: Sich der Stimme enthalten.
Das Perverse ist ja, dass es gerade die eben genannten Dinge sind, die Barack den Friedensnobelpreis eingebracht haben. Zig Millionen Menschen im Irak und in Afghanistan zu befreien, zwei Diktaturen zu stürzen, einen Tyrannen an den Galgen zu bringen, Terroristen weltweit den Krieg zu erklären und Millionen Menschen in Afrika vor Armut, Malaria und Aids zu schützen (mit anderen Worten: Mutig Tatsachen schaffen, statt große Reden zu schwingen) bringen da nämlich gar nichts, höchstens die Verachtung der Gutmenschen in Oslo und im Rest der Welt. Trotzdem: Die besten Grüße an George W. Bush an dieser Stelle!
Freuen konnte man sich aber zumindest auf die beißenden Kommentare und Artikel in den verschiedenen konservativen Blogs und Foren: Townhall fordert zum Beispiel noch weitere Preise für Barack, wie zum Beispiel den für “The Most Awesome Teleprompter Reader Ever, Ever, Ever”. Die Gegenstimme sieht im Friedensnobelpreis für Obama eine Maßnahme, um auch zukünftig Leuten wie Herta Müller einen Nobelpreis zukommen zu lassen. Dafür dürfe "dieses Biotop namens Diktatur, das Frau Müllers Schaffen so immens stimuliert hat, nicht vergehen. Weil es aber nicht so gut wirken würde die so wichtigen Musen der Unterdrückten wie Kim Jong-Il, Ahmadinedjad oder Chavez selbst auszuzeichnen, bedachten sie deren Schutzpatron und Welt-Popbeauftragten mit der Auszeichnung." Auf Facebook bin ich auf den Kommentar eines Users gestoßen, man könne Barack ja auch noch den Nobelpreis für Chemie geben, weil die Chemie bei ihm einfach stimmt.
Die Schlussbemerkung zu diesem Witz des Jahrtausends soll aber der National Review vorbehalten sein: "Barack Obama will have history’s most crowded trophy room, but his presidency is shaping up as a tragedy — for America and the world."
Montag, 28. September 2009
YES, I DO!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Sonntag, 27. September 2009
Deutschland hat gewählt - Schwarz-Gelb!
Nach elf Jahren hat sich endlich wieder die Traumregierungskoalition dieses Blogs ergeben: CDU/CSU und FDP - oder einfach: Schwarz-gelb!
Es gab Zeiten (nach der Abwahl 1998), in denen die generellen Wahlchancen des bürgerlichen Lagers in Deutschland in Frage gestellt wurden. Deutschland ein mehrheitlich linkes und linkswählendes Land? Womöglich war da eher der Wunsch Vater des Gedanken. Letztlich hat diese Phase ohne bürgerliche Mehrheit auf Bundesebene "nur" elf Jahre gedauert.
Die größten Erkenntnisse des Wahlabends:
- Schwarz-Gelb wurde vor allem aufgrund der phänomenalen 14,5 Prozent der FDP möglich. Hier gab es wohl starke Abwanderungen von Unionswählern zu den Liberalen. Dies betraf wahrscheinlich vor allem die Wirtschaftsliberalen der Unionsparteien, die ihre Interessen in der Großen Koalition nicht ausreichend repräsentiert sahen. Sicherlich wären diese Abwanderungen nicht so groß gewesen, wenn die verprellten CDU-Wähler befürchtet hätten, mit ihrer Zweitstimme für die FDP eine Ampelkoalition möglich zu machen. Westerwelles klares und mutiges Bekenntnis zu Schwarz-Gelb hat hier sehr geholfen.
- Aufgrund dieser CDU-Abwanderer zur FDP muss die Union nicht zu schockiert sein über ihr immer noch ertragbares aber dennoch relativ schlechtes Wahlergebnis (das schlechteste seit 1949). Mit einer weniger sozialdemokratischen Wirtschaftspolitik in den nächsten vier Jahren sind diese Abwanderer leicht ins Boot zurückholbar.
- Wie nach vier Jahren Großer Koalition zu erwarten, sind die drei kleinen Parteien (Grüne, Linke und FDP) die Gewinner des Abends: Sie haben zusammen so viel Prozent erreicht wie nie zuvor, während umgekehrt die beiden Volksparteien zusammen ihr schlechtestes Ergebnis erzielt haben.
- Der Begriff Volkspartei ist bei der SPD nur noch schwer brauchbar: Mit 23 Prozent hat sie ein absolut unterirdisches Ergebnis eingefahren. Hier gab es wohl starke Abwanderungen zur Linken.
- Die Piratenpartei hat (so hieß es nach 18.00 Uhr jedenfalls mal kurz) zwei Prozent der Stimmen geholt. Aus dem Stand sicherlich nicht schlecht. Den Hype der vergangenen Wochen rechtfertigt dies aber nicht mal ansatzweise. Die Piraten täten wohl gut daran, sich mal ein paar Antworten zu nicht gerade unwichtigen Themen wie Wirtschafts- und Außenpolitik zu überlegen.
- Auch die CSU gehört zu den großen Wahlverlierern. Ungefähr 42 Prozent holte sie in Bayern. Ein guter Denkzettel für Seehofer und dessen FDP-feindliche Aussagen. So was hören Unionsanhänger nicht gern. Die Anfeindungen sollten sich stets gegen die natürlichen Feinde SPD, Grüne und Linke richten und nicht gegen den potenziellen Koalitionspartner.
- Die Wahlbeteiligung lag mit 72 Prozent noch einmal fünf Prozentpunkte unter dem Wert von 2005 und damit auf einem Negativrekord. So wie der Wahlkampf abgelaufen ist, ist das alles andere als verwundernswert.
Außerdem freut sich dieser Blog nach elf Jahren Wartezeit nun auf einen Außenminister Guido Westerwelle. Der ist zwar ein ausgewiesener Obama-Freund (würg!), aber was anderes ist in Deutschland halt nun mal schwer zu finden. Wir werden also damit leben müssen. Westerwelle ist aber Gott sei Dank nicht gerade als Diktatorenfreund bekannt und wird sich zum Beispiel gegenüber den Russen stärker positionieren, als man das vom sozialdemokratischen Außenministerium der letzten Jahre kannte. Eine weitere Hoffnung dieses Blogs ist, dass sich Union und FDP beim Thema Innere Sicherheit gegenseitig so ausbalancieren werden, dass es eine gute Mischung zwischen Freiheit und Sicherheit geben wird.
Das Duo Merkel, Westerwelle hat nun nach mehreren Anläufen also endlich zusammen gefunden. Für die Arbeit und die Herausforderungen der nächsten vier Jahre ein kräftiges "Glück auf!"
Freitag, 11. September 2009
Acht Jahre danach - und noch immer, als wäre es gestern gewesen
As long as the United States of America is determined and strong, this will not be an age of terror. This will be an age of liberty here and across the world. Great harm has been done to us. We have suffered great loss. And in our grief and anger we have found our mission and our moment. Freedom and fear are at war. The advance of human freedom, the great achievement of our time and the great hope of every time, now depends on us. Our nation, this generation, will lift the dark threat of violence from our people and our future. We will rally the world to this cause by our efforts, by our courage. We will not tire, we will not falter and we will not fail.
(George W. Bush, 20. September 2001)
WE WILL NEVER FORGET!
Montag, 7. September 2009
Die Bundeswehr unter Beschuss
Nach den Terroranschlägen vom 11. September rief Gerhard Schröder die "uneingeschränkte Solidarität" mit den USA aus und entsandte zusammen mit dem Bundestag deutsche Soldaten nach Afghanistan. In den ersten Jahren führte dort allenfalls die KSK mal mehr, mal weniger offiziell Krieg. Die restlichen Soldaten mit deutscher Flagge am Oberarm waren eine Art Technisches Hilfswerk mit Waffen auf humanitärer Mission. Für Bomben und verschossene Kugeln waren andere Nationen, hauptsächlich Amerikaner und Briten, verantwortlich. Das war jedenfalls die Version, die dem deutschen Volk von seinen Politikern erzählt wurde. Auf dem Höhepunkt dieses naiven Gutmenschengehabes war die Einteilung in Gut und Böse (aus deutscher Sicht) klar: Amis, Briten und andere machen in ihrem Krieg gegen den Terror (namentlich gegen die al Kaida und Taliban) das kaputt, was Deutschland vor allem im Norden Afghanistans so behutsam aufbaut (namentlich Schulen und Brunnen).
Besagte Amerikaner, Briten und andere Nationen waren voll des Dankes für diesen Ausdruck NATO-schaftlicher Kameradschaft und irgendwann schien es so, als würde deren Kopfschütteln über die Deutschen in der Bundesrepublik tatsächlich ein schon lange fälliges Umdenken bewirken. Am Hindukusch wurde plötzlich nicht mehr nur Entwicklungshilfe betrieben, sondern die Sicherheit Deutschlands verteidigt und deutsche Politiker nahmen sich der Kriegssemantik an und sprachen von "Krieg" und "Gefallenen". Auch die Einsatzregeln der Soldaten wurden vor einigen Wochen geändert und an diese neue Wortwahl angepasst: Was früher den Platz von sieben DIN-A-4-Seiten benötigte, passt jetzt auf deren drei. Die FAZ berichtete: "Einschränkungen oder Unklarheiten sind entfallen. So wird der Schusswaffengebrauch gegen flüchtende Personen nicht mehr verboten, und er muss nicht mehr 'grundsätzlich' angedroht werden, sondern 'sofern es die Lage zulässt'." Man fragt sich, wie überhaupt jemals irgendetwas anderes der Fall sein konnte und man verspürt den Drang die Worte "deutsche Soldaten" und "Freiwild" in ein und demselben Satz zu gebrauchen, aber na ja... lassen wir das.
Spätestens seit einigen Tagen ist wohl auch dem letzten deutschen Naivling klar, was die Bundeswehr da am Hindukusch so treibt, denn dieser Tage ist eine große Debatte über einen NATO-Luftangriff entbrannt (ja, so richtig mit Bomben und so), der von einem deutschen (!) Befehl ausging. Oberst Georg Klein ordnete den Angriff auf zwei Tanklastzüge an, die zuvor von Talibankämpfern gekapert worden waren. Der Angriff erfolgte mitten in der Nacht in nicht bewohntem Gebiet und nachdem Aufklärungsflugzeuge nur Taliban und keine Zivilisten um die Tanklastzüge herum ausgemacht hatten. So sagt Oberst Klein denn auch, dass die ganze Geschichte zu 100 Prozent zusammengepasst habe. Nun aber ist - je nachdem welchem Bericht man glaubt - von möglicherweise zig toten Zivilisten die Rede. Verteidigungsminister Jung dementierte dies zwar und sprach davon, dass keine Zivilisten getötet worden seien. Nach aktuellen Berichten scheint das Verteidigungsministerium von dieser Behauptung aber langsam abzurücken. Die ganze Geschichte passierte nun auch ausgerechnet in einer Zeit, in der ISAF-Chef US-General Stanley McChrystal den äußerst vorsichtigen Umgang mit Luftangriffen angeordnet hat, da es dabei in der Vergangenheit zu hohen Verlusten unter der afghanischen Zivilbevölkerung kam, die wiederum die Akzeptanz der ISAF-Truppen unterminierten. Jedenfalls kam es zu weit aus mehr zivilen Opfern, als bei Bodeneinsätzen, die nun verstärkt durchgeführt werden sollen.
Nun ist es ausgerechnet die Bundeswehr, das schulenbauende, weiße Schaf der ISAF-Familie, die in diesen Tagen am Pranger steht und von Vorwürfen überhäuft wird. Dass man von der EU in einem solchen Fall keinen großen Rückhalt erwarten muss, ist klar. Auch Karzais prompte Empörung war leicht vorherzusehen. Eher überraschend ist da schon die Kritik aus dem eigentlich ja kriegsrealistischen US-Lager, von dem man da vielleicht etwas mehr Verständnis erwartet hätte. Jedenfalls sah General McChrystal sich erst einmal zu einer TV-Ansprache an das afghanische Volk genötigt.
Der eigentliche Skandal ist jedoch die Empörung bei Grünen, Linken und sonstigem bundeswehrfeindlichem Gesocks in Deutschland. Dass unsere Soldaten in der Heimat nur "freundliches Desinteresse" erfahren, wie Horst Köhler es einmal so trefflich formulierte, ist ja schon schlimm genug. Zu Recht fordert der Wehrbeauftragte Reinhold Robbe in einem Interview etwa Schweigeminuten bei Versammlungen der Arbeitgeberverbände, Erwähnungen der Soldaten in Gewerkschaftsreden am 1. Mai und Bücher und Filme über die Bundeswehr. Das Mindeste was die Bundeswehr gerade von den Abgeordneten, die ihre Einsätze befehligen, erwarten kann, ist ja wohl der Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten". Dass für so manchen die Schuld der Bundeswehr jetzt schon fest steht, bevor sie überhaupt ansatzweise bewiesen wurde, ist beschämend. Wenn schon alle anderen drauf hauen, sollten die Soldaten wenigstens in der Heimat, für die sie den Kopf hinhalten, Unterstützung erwarten können.
Oberst Klein hat wohl die beste Entscheidung getroffen, die er mit den ihm vorliegenden Informationen treffen konnte. Dass dann doch nicht alles vollkommen reibungslos und vor allem ohne tote Zivilisten klappt, ist nun mal die Realität eines Krieges. Zumal es sich beim Gegner um Leute handelt, die Zeugenaussagen nach unschuldige Menschen aus dem benachbarten Dorf gezwungen haben, zu den Tanklastzügen zu kommen.
Wie Die Welt in einem hervorragenden Kommentar schreibt: "Der Befehl zum Luftangriff erfolgte nicht aus Jux und Dollerei und aus heiterem Himmel, sondern inmitten intensiver Kampfhandlungen, in deren Verlauf die Bundeswehrsoldaten von Taliban-Terroristen (und zwar von ganz realen, und nicht von „vermuteten“ [wie die ARD berichtete]) attackiert werden und sich mit ihnen heftige Gefechte liefern müssen."
Klar ist aber auch: Wer, wie die Deutschen, immer der Erste ist beim Erheben des moralischen Zeigefingers, darf sich nicht wundern, wenn sich das Blatt mal wendet.
Donnerstag, 27. August 2009
Ted Kennedy 1932 - 2009
Die Kennedys - vielleicht die US-Dynastie des 20. Jahrhunderts und eine Familie, die amerikanischer Royalität so nah kommt, wie kaum eine andere. Am Dienstag ist die Ära, dieser Familie zu Ende gegangen - vielleicht für immer. Der Kennedy-Patriarch der letzten Jahrzehnte, Edward Moore Kennedy, starb im Alter von 77 Jahren an einem Gehirntumor.
Aus Sicht der Konservativen war Ted Kennedy eine bestenfalls umstrittene Persönlichkeit. Als überzeugter 'Liberal' stand er weit links und vertrat damit unteilbare Ansichten. Als Mensch war er alles andere als unfehlbar; am berühmtesten ist hier wohl die Geschichte, wie er nach einem Autounfall Fahrerflucht beging und dadurch eine junge Frau ums Leben kam.
Wenn Konservative sterben, sind auf linksliberalen Websites und Blogs Freudenstürme zu vernehmen (man erinnere sich nur an den Krebstod von Tony Snow). Hier soll gezeigt werden, dass es auch anders geht. Auch wenn Ted Kennedy aus Sicht dieses Blogs nicht der Held war, zu dem er jetzt gemacht wird - in diesen Tagen ist es gut und recht, an das Gute und Bewundernswerte zu erinnern. Für alle anderen Diskussionen ist später Zeit.
Für 47 Jahre als Senator gebührt Ted Kennedy in den USA Dank und Anerkennung.
Am Samstag wird er bei seinen berühmten Brüdern John und Robert auf dem Heldenfriedhof in Arlington beigesetzt.
Möge er in ihrer Gegenwart in Frieden ruhen!