Mittwoch, 23. Juli 2008

Ein Amerikaner in Berlin

Dieser Blog fährt morgen für zwei Wochen in den Urlaub. Leider aber erst Morgenabend und so wird ihm eines am morgigen Tag leider nicht erspart bleiben: Die Ankunft des Messias.

Nein, hier ist nicht die Rede von dem Mann in Sandalen und mit langem Bart, sondern von Barack Obama, seines Zeichens Senator von Illinois, Präsidentschaftskandidat der Demokraten und wahlweise der Mann "der uns das andere Amerika zeigt", oder "der die transatlantische Partnerschaft wieder aufleben lassen wird", oder der "uns auf ein besseres Amerika hoffen lässt"; man suche sich was aus.

Die deutsche Berichterstattung über Obamas Aufenthalt in Berlin nimmt groteske Züge an. Es darf wohl mit Fug und Recht behauptet werden, dass um keinen US-Präsidentschaftskandidaten der letzten Jahrzehnte so ein Hype gemacht wurde, wie um Obama. Ja selbst so manche Besuche von amtierenden Präsidenten haben weniger Aufmerksamkeit bekommen. Und für welchen Kandidaten für ein ausländisches Amt ist denn schon jemals der Bereich um die Siegessäule für eine Rede gesperrt worden? Im Videotext von SAT 1 ist heute als Ted-Frage zu lesen: "Ist Obama-Hype übertrieben?" Möge dieser erste Ansatz von Selbsterkenntnis der erste Schritt zur Besserung sein. Diese Besserung haben jedoch beileibe nicht nur die deutschen Medien nötig. So begleiten alle drei Nachrichtenmoderatoren der großen US-Sender ABC, CBS und NBC Obama auf seiner Reise durch mehrere Staaten des Nahen Ostens und Europas.

Bekannterweise wollte sich der Senator aus Illinois mit der Siegessäule ja eigentlich nicht zufrieden geben. Nein, ihm schwebte Größeres vor: Wie es sich für einen Messias gehört, sollte es schon das Brandenburger Tor sein. Klar, deutsche Bundeskanzlerkandidaten verlangen ja auch, auf der National Mall in Washington sprechen zu dürfen.

Charles Krauthammer schrieb vor wenigen Tagen in der National Review einen treffenden Artikel zu genau diesem Thema. Dort heißt es: "What Obama does not seem to understand is that the Brandenburg Gate is something you earn. President Reagan earned the right to speak there because his relentless pressure had brought the Soviet empire to its knees and he was demanding its final 'tear down this wall' liquidation. When President Kennedy visited the Brandenburg Gate on the day of his 'Ich bin ein Berliner' speech, he was representing a country that was prepared to go to the brink of nuclear war to defend West Berlin. Who is Obama representing? And what exactly has he done in his lifetime to merit appropriating the Brandenburg Gate as a campaign prop?"

Mmmh, berechtigte Frage, auf die einem nicht gerade sofort eine Antwort einfällt.

Krauthammer konstatiert weiterhin, dass in jedem Politiker ein Narziss steckt. Jeder Senator schaue in den Spiegel und sehe dort einen Präsidenten. Doch bei Obama nimmt das ganze mittlerweile besorgniserregende Formen an: "Has there ever been a presidential nominee with a wider gap between his estimation of himself and the sum total of his lifetime achievements? Obama is a three-year senator without a single important legislative achievement to his name, a former Illinois state senator who voted “present” nearly 130 times. As president of the Harvard Law Review, as law professor and as legislator, has he ever produced a single notable piece of scholarship? Written a single memorable article? His most memorable work is a biography of his favorite subject: himself."

Und auch für Krauthammer drängt sich die Messias-Analogie auf: "For the first few months of the campaign, the question about Obama was: Who is he? The question now is: Who does he think he is? We are getting to know. Redeemer of our uninvolved, uninformed lives. Lord of the seas. And more. As he said on victory night, his rise marks the moment when 'our planet began to heal.' As I recall — I’m no expert on this — Jesus practiced his healing just on the sick. Obama operates on a larger canvas."

Und sollte Hochmut doch nicht vor dem Fall kommen und der Messias tatsächlich ins Weiße Haus einziehen, wird sich dieser Blog zumindest genüsslich zurücklehnen und zuschauen, wie die Seifenblasen der Deutschen, die morgen vor der Siegessäule ihrem Retter zujubeln, platzen werden. Nämlich dann, wenn die politischen Realitäten dieser Welt auch einen Barack Obama einholen werden und er zeigen wird, dass jeder US-Präsident zu aller erst den Interessen seines Landes verpflichtet ist und dass es außenpolitisch zwischen den verschiedenen US-Präsidenten eine gewisse Kontinuität gibt, der auch ein Obama nicht entfliehen wird.

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