Gestern (bzw. heute Nacht) fand sie also endlich statt: Die am meisten erwartete Vizepräsidentschaftsdebatte der letzten Jahrzehnte, manche meinen sogar seit eh und je - und zwar nicht wegen dem demokratischen VP-Kandidaten, sondern wegen dem republikanischen: Einer Frau. Sarah Palin.
Sie selbst hatte in den letzten Wochen zur ohnehin großen Spannung vor dem TV-Duell beigetragen: Durch zwei Interviews, die - sagen wir mal - unglücklich verliefen, aber eigentlich einen eigenen Post über den Gotcha-Journalismus der Mainstream Media verlangen. Ich meine, sind der Messias oder sein Vize je gefragt worden, ob und welche Zeitungen sie lesen?
Mit den Interviews hatte Palin jedoch das erreicht, was man vor einer solchen TV-Debatte erreichen will: Niedrige Erwartungen. Na ja, die Erwartungen der Demokraten waren wohl eher hoch. Nämlich in so fern als dass sie eine komplett überforderte Palin erwarteten, die abenteuerliche Antworten geben, manchmal vielleicht überhaupt keine Antwort finden und der zuletzt in der Krise steckenden McCain-Palin-Campaign den letzten Todesstoß versetzen würde.
Doch nichts davon geschah!
Sarah Palin war wieder so, wie man sie von ihren ersten Auftritten, vor allem beim GOP-Parteitag kannte: Gewitzt, angriffslustig und um keinen Spruch verlegen. Selten war klarer zu sehen, welcher der beiden Kandidaten der Washington-Insider und wer die neue Kraft von Außen ist. Joe Biden geriet vor allem im ersten Teil oft in seine Senatssprache hinein und redete insgesamt so, wie man es von den Politikern aus Washington gewohnt ist. Sarah Palin hingegen zeigte einmal mehr ihre volkstümliche und enthusiastische Redeweise - immer mit einem (neckischen) Lächeln und oft auch mit Augenzwinkern - und benutzte Ausdrücke wie "darn right", "say it ain't so Joe" und "heck of a...".
Im ersten Teil wich Palin geschickt aber auch sehr offensichtlich den eigentlich gestellten Fragen aus. Oft sagte sie dann Sachen wie "ich möchte aber lieber noch einmal über....sprechen." Dann kam sie oft auf ihr Lieblingsthema Energiepolitik oder Steuerpolitik zu sprechen. In solchen Momenten flüchtete sie sich also in die Themen, die ihr liegen. Gegen Ende sagte sie über diese "Taktik": "Ich werde die Fragen nicht so beantworten, wie Sie [Biden] oder die Moderatorin das wollen, sondern ich werde direkt zu den Amerikanern sprechen." Und Letzteres tat sie im wörtlichen Sinne: Sie sprach so oft direkt in die Kamera, wie man es selten zuvor bei einer solchen Debatte gesehen hat - eigentlich immer. Manchmal wirkte das zwar ein bisschen, als ob sie eine Fernsehansprache hält, doch es war ein weiterer Aspekt, mit dem sie als erfrischend anders rüberkam. Biden schien sich das abzuschauen, da er im Verlauf der Debatte ebenfalls immer öfter direkt in die Kamera und nicht ins Publikum schaute.
Immer wieder kam Palin darauf zu sprechen, dass es die Gier und die Korruption an der Wall Street seien, die die Finanzkrise heraufbeschworen haben. An einer Stelle vermied sie es tunlichst auch den "normalen" Amerikanern einen Teil der Schuld zuzusprechen, die sich Häuser leisteten, ohne das nötige Geld dafür zu haben. Ein weiterer Punkt, den sie immer wieder wiederholte war, dass Amerika Energie-unabhängig von anderen Staaten werden muss und dass dafür auch zum Beispiel im so genannten "Arctic National Wildlife Refuge" in Alaska nach Öl gebohrt werden müsse. Hier stimmt sie mit McCain nicht überein, was sie auch ohne Scheu zugab. Des weiteren stellte sie Obama und Biden stets als Steuererhöherer dar, was Biden jedoch immer zurückwies.
Punkte machte Palin immer wieder, als sie Biden sozusagen als Flip-Flopper hinstellte, da er in den Zeiten der Primaries Obama bei vielem Widersprach und McCain bei Einigem zustimmte. Zu diesem Zweck kam sie öfter auf die TV-Debatten der Demokraten zu sprechen, was sich in der Nachberichterstattung zur VP-Debatte möglicherweise als nützlich erweisen wird, da die verschiedenen Sender diese früheren Aussagen Bidens vielleicht einspielen.
Der zweite Teil beschäftigte sich mit der Außenpolitik und damit mit dem möglicherweise rutschigen Boden für Sarah Palin. Sie hielt sich aber aufrecht und schwankte kein einziges Mal. Einmal nannte sie einen US-General bei falschem Namen, was aber passieren kann und wohl nicht weiter ins Gewicht fallen wird. Biden versuchte einmal, sein tiefgehendes außenpolitisches Wissen zur Schau zu stellen, als er auf Palins wiederholtes Ahmadinedschad-Bashing antwortete, nicht Ahmadinedschad halte im Iran die entscheidenden Fäden in der Hand, sondern der iranische Klerus. Der normale Wähler interessiert sich für solche Feinheiten üblicherweise aber weniger und hält sicher mehr von einfachen Botschaften wie Palins "Der Iran darf keine Nuklearwaffen besitzen. Punkt!"
Stark war Palin, als sie auf Obamas Aussage herumritt, er wolle sich mit den Tyrannen dieser Welt ohne Vorbedingungen treffen und als sie die Vorhaben der Demokraten bezüglich des Irak eine "white flag of surrender" nannte. Sie hätte vielleicht noch ein bisschen mehr aus der Tatsache machen können, dass Obama gegen die surge stimmte, was aus Sicht dieses Blogs der ultimative Beweis für schlechtes Urteilsvermögen ist. Oder zumindest dafür, dass der Messias, wenn's drauf ankommt, lieber den leichten Weg wählt.
In den letzten Fragen ging es nicht direkt um politische Inhalte, sondern darum, wie die beiden Kandidaten zum Beispiel die Rolle des Vizepräsidenten sehen oder was sie über die Dinge sagen, die an ihnen kritisiert werden, wie zum Beispiel Palins Unerfahrenheit. Hier drückte sie richtigerweise aus, dass ihr Leben ja nicht mit dem Gouverneursjob begann, sondern dass sie auch mit allem, was sie vorher getan hat, gewisse Erfahrungen gesammelt hat; und wenn auch "nur" als Ehefrau und Mutter: "But it wasn't just that experience tapped into, it was my connection to the heartland of America. Being a mom, one very concerned about a son in the war, about a special needs child, about kids heading off to college, how are we going to pay those tuition bills? About times and Todd and our marriage in our past where we didn't have health insurance and we know what other Americans are going through as they sit around the kitchen table and try to figure out how are they going to pay out-of-pocket for health care? We've been there also so that connection was important." Dies kam sicherlich gerade bei Unabhängigen gut an.
Alles in allem wurde auch diese Debatte, wie schon die erste zwischen Obama und McCain, als Unentschieden gewertet: Keiner der Kandidaten landete einen "Homerun". Keiner der Kandidaten machte einen entscheidenden Fehler.
Manche US-Kommentatoren führten Palins Wiederauferstehung darauf zurück, dass die McCain-Campaign sie wieder sie selbst sein ließ. Man habe sie nicht tagelang ununterbrochen Fakten auswendig lernen lassen, sondern ihr auch mal ein bisschen Freizeit mit der Familie gegeben, was sie entspannter hat werden lassen.
Als nächstes folgt die zweite Debatte zwischen John McCain und Barack Obama. Diese findet in der Nacht auf Mittwoch um 3.00 Uhr deutscher Zeit statt. Das Format wird das eines "Townhall-Meetings" sein, was John McCain zu Gute kommen dürfte. Thema ist die Innenpolitik.
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2 Kommentare:
Wie immer ein hervorragender Kommentar. Leider liest man in den deutschen Medien ja kaum Positives über McCain/Palin. Das höchste der Gefühle ist schon eine Neutralität. Ich habe in Amerika gerade ein Buch gekauft von Ann Coulter "If Democrats had any brains they'd be Republicans", dürfte dem Blog gut gefallen, ich habe mich teilweise kaputtgelacht. Die ist richtig gut!
Ja, Peter, dass McCain und Palin auch in den deutschen Medien im Hintertreffen sind, kann ich nur bestätigen. Selbst die Tageszeitung des Blogs, die Welt, die ja oft in solchen Dingen die erfrischende Ausnahme ist, hat sich nun völlig dem Obama-Hype verschrieben. Heute wurde auf einer kompletten Seite ein Teil des Interviews von Michelle Obama bei Larry King abgedruckt. Ob es Cindy auch so ergangen wäre? Und in zwei anderen Artikeln (nach der Convention und nach der letzten Debatte) wurde McCain von A bis Z zerrissen.
Meinen letzten USA-Aufenthalt habe ich auch zum Buch-shopping genutzt. Drei Bücher von und über Bush sind's geworden. Von Coulters Buch hat der Blog natürlich schon gehört. Alleine der Titel ist schon eine Kaufempfehlung!
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