Dienstag, 28. Oktober 2008

Eine Woche vor der Wahl

Was vor fast zwei Jahren begann, wird heute in einer Woche sein Ende finden: Der vielleicht längste Wahlkampf in der Geschichte der USA. Hier ein paar Beobachtungen:

Der Favorit ist zu diesem Zeitpunkt ganz klar Barack Obama. Er führt in den nationalen Umfragen mit ungefähr fünf bis acht Prozentpunkten vor John McCain. Die wichtigeren Umfragen, die in den so genannten Battleground-States, führt er ebenfalls mehrheitlich an. Auf CNN war gestern Abend zu sehen, dass John McCain alle verbleibenden Staaten gewinnen müsste, in denen noch kein Favorit auszumachen ist und dennoch nicht die magische Zahl von 270 Wahlmännern hätte. Er müsste also zum Beispiel zusätzlich Pennsylvania gewinnen, das im Moment aber zu Obama tendiert. Gute Überblicke über den Stand in den einzlenen Staaten haben Real Clear Politics und CNN.
Besonders frustrierend müssen die Umfrageergebnisse in Staaten wie Indiana, Virginia und Florida für McCain sein: Die ersten beiden sind in Präsidentschaftswahlen eigentlich solide "red states". Bush hat Indiana vor vier Jahren mit 20 Prozentpunkten Vorsprung gewonnen. Jetzt gibt es dort quasi einen Gleichstand zwischen McCain und Obama. Virginia, das seit über 40 Jahren nicht mehr für den demokratischen Kandidaten gestimmt hat, ist praktisch schon verloren. Und als McCain vor wenigen Monaten noch einen VP-Kandidaten suchte und Floridas Gouverneur Charlie Christ im Gespräch war, wurde gesagt, dass Christ zumindest nicht gebraucht würde, um Floridas Wahlmännerstimmen zu liefern, da Florida seit zehn Jahren erfolgreiche republikanische Gouverneuere hat und damals, vor ein paar Monaten, auch in den Umfragen noch kräftig Richtung McCain tendierte. Heute liegt Obama vorn.
Doch so sehr die US-Medien einen Obama-Sieg für ausgemachte Sache halten und Obama bereits seine Antrittsrede schreibt: Gewählt wird erst am 4. November, jede Stimme zählt und Umfragen haben schon oft genug ein falsches Bild vermittelt. Man erinnere sich nur an die Exit-Polls vor vier Jahren.

Ginge es nach dem Willen des US-Militärs, müsste Obama sich noch nicht einmal eine Überschrift für seine Antrittsrede überlegen. Eine Umfrage zeigt, dass um die 70 Prozent von ihnen lieber McCain als Commander-in-Chief sehe. Nicht ohne Grund, wie dieser Blog findet. Wäre es nach Obamas Willen gegangen, wäre der Irak immerhin schon verloren. Nur bei einer Gruppe innerhalb der Streitkräfte hat Obama die Nase vorn. Dabei handelt es sich um - Überraschung, Überraschung - schwarze Soldaten. Auf eine traditionelle Wählerbasis der Republikaner ist also immer noch Verlass. Die Soldaten wissen eben, wo Stärke und Entschlossenheit zu Hause ist und wo weiße Fähnchen genäht werden.

Derweil hat Joe Biden vor ein paar Tagen mal miterlebt, was es heißt, einem richtigen Interview mit richtigen Fragen ausgesetzt zu sein; statt der üblichen Beweihräucherung, die das Obama-Biden-Team sonst so erfährt. Und was soll man sagen: He was not amused!
Als die in Florida bekannte Journalistin Barbara West Biden aufforderte, den Unterschied zwischen Marx' Umverteilungsvorstellungen und den Ansichten Obamas zu erklären, stellte Biden die Frage: "Is this a joke?"
Sogleich rief die Obama-Campaign einen Boykott des TV-Senders aus. Weitere Interviews werde es nicht geben. Tja, 90 Prozent der US-Medien als Cheerleader zu haben reicht den Demokraten anscheinend nicht. Lieber spielt man die beleidigten Heulsusen, wenn's mal etwas härter kommt. Barbara West hat seitdem natürlich mit der üblichen Diskreditierung von jenen zu tun, die es wagen, sich dem Messias in den Weg zu stellen. Ihr Ehemann sei für die Republikaner tätig, und so weiter und so fort. Sie stellte bereits klar, dass ihr Mann ebenso schon für die Demokraten gearbeitet habe.

Eines der Wahlziele Obamas hat er indirekt bereits 2001 formuliert, wie vor ein paar Tagen bekannt wurde: Spreading the wealth around!
Ist exzessive Umverteilung in Deutschland der Höhepunkt der sozialen Gerechtigkeit, stößt diese in den USA bei der arbeitenden Bevölkerung auf breite Kritik. Und so sind diese Menschen derzeit zu Recht besorgt darüber, ob sie ihren Geldbeutel mit Waffengewalt gegen einen Präsidenten Obama verteidigen werden müssen. Diese Sorge bekam neue Nahrung, als nun ein Tonband aus dem Jahr 2001 auftauchte, auf dem Obama sagte, dass die Bürgerrechtsbewegung sich nicht nur vor Gerichten für zum Beispiel Wahlrechte hätte einsetzen dürfen, sondern darüber hinaus auch auf politischer Ebene "redistributive change" hätte herbeiführen sollen. Eine der schönen Seiten der Amerikaner ist, dass solche Forderungen bei vielen kein verständnisvolles Kopfnicken auslösen, sondern sie sich fragen: Was geht den Staat mein hart erarbeitetes Geld an? Die Regierung will es mir wegnehmen, um dann selbst zu entscheiden, wie es neu verteilt wird? Ohne mich!
Hier hat McCain ein seeehr nützliches Thema, das er auch bereits täglich anspricht. Es geht hier schließlich um grundsätzlich verschiedene Philosophien. Wahlkampfkritiker fragen sich allerdings, wo dieses Thema vor ein paar Monaten war und ob dies alles nicht "too little, too late" für McCain sei.

Für George W. Bush ist der Wahlkampf 2008 bereits seit einer Woche vorbei, als er seinen letzten Fundraising-Auftritt hatte, bei dem er 1 Million Dollar für die republikanischen Senatswahlkämpfe einnahm. Aufgrund seiner Unpopularität fanden seine Wahlkampfauftritte für McCain, GOP-Senatoren und -Abgeordnete, sowie für die republikanische Partei insgesamt hinter verschlossenen Türen und vor treuen Republikanern statt. Eine öffentliche "rally" mit Tausenden von Republikanern hat es nicht einmal gegeben. Genau so wenig wie einen öffentlichen Wahlkampfauftritt mit John McCain. Für Bush, der eigentlich ein guter Wahlkämpfer ist, solche Auftritte mag, und in früheren Zeiten die Massen auf sich zog, war dies ein notwendiges Übel und die einzig vernünftige Maßnahme, mit der er seiner Partei helfen konnte; so bitter das auch ist. So mancher Wahlkampfauftritt musste außerdem aufgrund der Finanzkrise abgesagt werden.
Gewählt hat Bush schon und zwar per Briefwahl. Ist er bei den vergangenen Wahlen stets zu seinem Wahllokal in Crawford, Texas gereist, gibt es für dieses Jahr anscheinend andere Pläne. Möglicherweise ja einen ruhigen Tag im Weißen Haus.

Einige "moderate Republikaner" oder RINOs (Republicans in name only), wie dieser Blog sie nennt, haben Fahnenflucht begangen und werden Barack Obama wählen. Dazu zählen Colin Powell und Bushs ehemaliger Sprecher Scott McClellan. Gerade Powell hat mit seiner Entscheidung einige Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Charles Krauthammer hat zu dieser Thematik einen exzellenten Artikel in der Washington Post geschrieben: "Contrarian that I am, I'm voting for John McCain. I'm not talking about bucking the polls or the media consensus that it's over before it's over. I'm talking about bucking the rush of wet-fingered conservatives leaping to Barack Obama before they're left out in the cold without a single state dinner for the next four years. [...] I shall have no part of this motley crew. I will go down with the McCain ship. I'd rather lose an election than lose my bearings."
Außerdem legt Krauthammer in dem Artikel "the case for McCain" dar. Für ihn hat vor allem die Außenpolitik Relevanz und da habe Obama nicht einen Test erfolgreich bestanden. "Today's economic crisis, like every other in our history, will in time pass. But the barbarians will still be at the gates. Whom do you want on the parapet? I'm for the guy who can tell the lion from the lamb", schreibt Krauthammer.

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