Dienstag, 6. Januar 2009

Goodbye (Teil 10)

Heute sollen die vier US-Wahlen von 2000 bis 2006 rekapituliert werden.

Präsidentschaftswahl 2000:

"Bush, Cheney" hieß das so genannten Ticket der Republikaner. Bush hatte sich in den Vorwahlen nach anfänglichen Schwierigkeiten deutlich gegen John McCain durchgesetzt. George Bush war der Wunschkandidat der Republikanischen Partei gewesen, die ihn in den Jahren zuvor bearbeitet hatte, doch im Jahr 2000 zu kandidieren. Für das Republikanische Etablissement war Bush einer der wenigen, denen sie nach den friedlichen und prosperierenden 90er-Jahren unter Clinton einen Sieg gegen dessen Vize Al Gore zutrauten. George W. Bush hatte einen bekannten Namen und hatte in Texas auf beeindruckende Weise gezeigt, dass er Unabhängige und Demokraten von sich überzeugen konnte. Außerdem war er mit seiner lockeren und kumpelhaften Art eine gute Waffe gegen den steifen Al Gore.

Die heiße Wahlkampfphase begann Anfang August mit der Republican National Convention in Philadelphia, an deren viertem Tag Bush die Nominierung seiner Partei annahm.
Bush hatte, gerade gegen Al Gore, das Problem, das viele Gouverneure haben: Die mangelnde außenpolitische Erfahrung. Mit Dick Cheney, Condoleezza Rice und anderen umgab sich Bush aber mit starken Beratern. Überhaupt war auch in diesem Präsidentschaftswahlkampf "Erfahrung" ein großes Thema - das natürlich Al Gore für sich ausspielen wollte. Die Rollen Titelverteidiger und Herausforderer mit Außenseiterchancen waren klar verteilt.

Insgesamt ging es in diesem Jahr vor dem 11. September eher um innenpolitische Themen. George Bush kandidierte mit seiner Philosophie des Compassionate Conservatism, das die radikal Konservativen in seiner Partei skeptisch werden ließ, in der politischen Mitte aber Anklang fand. Für die Republikaner war der Lewinsky-Skandal natürlich ein gefundenes Fressen und Bush formulierte immer wieder das Vorhaben, wieder "Ehre und Würde" ins Weiße Haus zu bringen. Gore versuchte im Wahlkampf, Clinton so weit wie möglich von sich fern zu halten.

Doch auch die Außenpolitik war in diesem Wahlkampf Thema und Bush vertrat in dieser Welt vor dem Krieg gegen den Terror eine eher isolationistische Position: Amerikanisches Engagement sollte es, vor allem militärisch, nur dort geben, wo US-Interessen auf dem Spiel stehen. "Nation-building" lehnte er ab.

In dieser Wahl gab es einen recht starken dritten Kandidaten: Ralph Nader. Seine Stimmenanzahl war letztlich so groß, dass er Al Gore damit wohl die Präsidentschaft nahm. In den Monaten vor der Wahl gelang es weder Al Gore noch George Bush in den Umfragen entscheidend davon zu ziehen und so begann der Wahltag ohne einen klaren Favoriten. An diesem 7. November 2000 teilte sich das Land wählerisch so auf, wie es in den nächsten acht Jahren größtenteils bleiben sollte: Die Republikaner gewannen in den Südstaaten und im ländlichen Mittleren Westen, außerdem entschieden sie Staaten wie Ohio, Indiana, Alaska und die Rocky Mountain Staaten für sich. Die Demokraten gewannen im Nordosten, an der Westküste, auf Hawaii und im oberen Mittleren Westen.
In Staaten wie Wisconsin, Oregon, New Mexico und Iowa war das Ergebnis sehr knapp.

Nachdem Florida in der Wahlnacht mehrere Male abwechselnd Bush und Gore zugerechnet wurde, war in den frühen Morgenstunden klar, dass es in Florida eine teilweise Neuauszählung der Stimmen geben würde, da Bush nur mit ca. 2000 Stimmen Vorsprung gewonnen hatte. Nach der Neuauszählung hatte sich diese Zahl auf 500 verringert. Dies brachte im folgenden Monat gesetzlich festgelegte und gerichtlich erwirkte Neuauszählungen mit sich, an deren Ende Bush am 12. Dezember schließlich zum Sieger in Florida und damit zum 43. Präsidenten der USA erklärt wurde. Wer das Drama in Florida nachlesen will, kann dies hier, hier und hier tun.
Nur so viel: In der Berichterstattung wird stets die Supreme Court Entscheidung genannt, die mit fünf zu vier Stimmen denkbar knapp getroffen wurde. Der Supreme Court hat gleichzeitig aber die Neuauszählung in Florida deutlich mit sieben zu zwei Stimmen für verfassungswidrig erklärt, da es keinerlei einheitliche Standards gab und somit der Gleichheitsgrundsatz verletzt wurde. Eine Studie von führenden Medienanstalten hat ergeben, dass Bush auch bei einer abgeschlossenen Neuauszählung der Stimmen Florida gewonnen hätte.
Außerdem soll hier folgendes festgehalten werden: Während solche Wahldramen in anderen Ländern im Bürgerkrieg enden, haben die USA diese Sache so gelöst, wie man sie lösen soll: Mit rechtsstaatlichen Mitteln vor den Gerichten des Landes.


Zwischenwahlen 2002:

Midterm-Elections unterliegen gewissen ungeschriebenen Gesetzen: Die Partei, die die Regierung stellt, fährt Verluste ein und deshalb hält sich der amtierende Präsident aus dem Wahlkampf raus, um mit der fast unvermeidlichen Niederlage möglichst wenig zu tun zu haben.
Auch weil letzteres 2002 nicht passierte, ist ersteres nicht eingetreten.


Im Repräsentantenhaus gewannen die Republikaner acht Sitze hinzu und bauten ihre Mehrheit damit aus. Im Senat konnte die GOP mit zwei hinzugewonnenen Sitzen eine knappe demokratische Mehrheit zu einer knappen republikanischen Mehrheit machen. Somit war die Wahl 2002 eine der wenigen Wahlen in den vorangegangenen 100 Jahren, in denen die regierende Partei Sitze im Kongress hinzugewinnen konnte. Dies war auch dem Umstand geschuldet, dass ein Jahr nach den Anschlägen vom 11. September die Außen- und Sicherheitspolitik eine große Rolle spielte und den Republikanern unter Bush bei diesem Thema mehr zugetraut wurde.


Außerdem fiel der Wahlkampf in die Zeit der politischen Vorbereitung auf den Irak-Krieg. Im August 2002 forderten die Demokraten Bush auf, die Gründe für einen möglichen Irak-Krieg darzulegen. Nachdem Bush dann tatsächlich damit angefangen und den Wahlkampf so zu einem außenpolitischen Wahlkampf gemacht hatte, bereuten die Demokraten ihre Forderung unverzüglich. Es war ein Wahlkampf entstanden, den sie inhaltlich nicht gewinnen konnten. Quasi auf Wunsch der Demokraten drehte sich der Wahlkampf verstärkt um das Thema nationale Sicherheit und den Krieg gegen den Terror – genau die Themen also, bei denen die Republikaner am stärksten waren. Die Demokraten versuchten mehrere Male, den Wahlkampf auf die Wirtschaft zu konzentrieren, scheiterten aber an ihren eigenen Leuten (allen voran Senator Tom Daschle), die nicht aufhören konnten, über den Irak zu sprechen.


George Bush jedenfalls zog 2002 in den Wahlkampf, als ob sein eigener Name auf den Stimmzetteln stehen würde. Fast täglich trat er in einem anderen US-Bundesstaat auf, um eine Wahlkampfrede zu halten und einen der republikanischen Kongresskandidaten zu unterstützen. Politisch war es ein hochriskantes Vorgehen und selbst im eigenen Lager gab es Zweifler. Doch Bush folgte damals schon der Philosophie, dass man politisches Kapital ausgeben müsse, um politisches Kapital zu erlangen. Still und ruhig im Weißen Haus zu sitzen, würde nichts bringen. So sehr eine Niederlage seine Niederlage gewesen wäre, war der Sieg sein Sieg. Nach dem Wahltag dominierten die Republikaner praktisch auf allen politischen Ebenen in den USA und die Gazetten überschlugen sich darin, auszudrücken, was für eine Katastrophe diese Wahl für die Demokraten war. Die Clinton-Ära war endgültig vorbei und die umstrittene Wahl Bushs zwei Jahre zuvor war vergessen.



Präsidentschaftswahl 2004:


Bush gegen Kerry hieß das Duell 2004. George Bush hatte in den republikanischen Vorwahlen keinen Gegner und konnte sich so zurücklehnen und zuschauen, wie John Kerry zum Kandidaten der Demokraten gemacht wurde. Schon kurz nachdem Kerry im März 2004 die nötigen Stimmen beisammen hatte, begann Bush über ihn zu sprechen. Dies sahen die Experten als riskant an, begann der amtierende Präsident damit doch unnötig früh mit dem Wahlkampf gegen seinen Herausforderer. Bush hatte allerdings die Ansicht, dass es besser sei, seinen Gegner und damit die Wahl, die die Wähler haben würden, zu charakterisieren, bevor dieser es selbst tun könne. Es war nicht das einzige riskante Manöver, das Bush in diesem Wahlkampf ausführte.


Auch die generelle Strategie der Bush campaign, ausgearbeitet vom "Architekten" Karl Rove, galt als politisches Glücksspiel: Karl Rove war der Meinung, dass dies keine Wahl sein würde, die von den Unabhängigen in der Mitte entschieden werden würde, da es diese Unabhängigen nur in sehr kleiner Zahl gäbe. Das Land sei ziemlich eindeutig in ein Republikanisches und ein Demokratisches Lager aufgeteilt. Das Republikanische Lager mache jedoch mindestens 51% aus. Also müsse das Ziel sein, das eigene Lager möglichst vollständig zu mobilisieren. Das würde ausreichen, um die Wahl zu gewinnen.


Also stützte sich George Bush im Wahlkampf auf seine konservativen Positionen und versuchte erst gar nicht, sonderlich moderat zu wirken, gerade auch in der Gesellschaftspolitik (Abtreibung, Homo-Ehe, etc.).


Das größte Wahlkampfthema war jedoch einmal mehr die nationale Sicherheit und der Krieg gegen den Terror. Umfragen zeigten später, dass vor allem diejenigen Bush wählten, für die die Themen nationale Sicherheit und Werte das Wichtigste waren.


Die oben erwähnte Taktik, Kerry möglichst frühzeitig zu charakterisieren, ging voll auf: Bush stellte Kerry als prinzipienlosen Flip-Flopper und abgehobenen links-liberalen Intellektuellen dar, dem die Weltmeinung wichtiger ist als die Interessen des eigenen Landes. Kerry selbst gab dieser Charakterisierung immer wieder Nahrung: So war "respected in the world" (bezogen auf die USA) ein Teil seines Slogans. Den wohl größten Fauxpas lieferte Kerry, als er bezüglich eines Gesetzes sagte: Ich habe dafür gestimmt, bevor ich dagegen gestimmt habe. Bush vergaß in keiner Rede, diese Aussage zu zitieren, worauf sein Publikum stets mit "Flip-Flop"-Sprechchören antwortete.


In fast jeder Rede sagte Bush (wie hier in Ohio): "But all the time, whether you agree with me or not, you know where I stand, what I believe, and where I'm going to lead. You cannot say that about my opponent." Die Experten sagten später, dass diese Aussage Bushs besonders effektiv war und die Wähler überzeugte. Durch seine Arbeit in den vorangegangenen vier Jahren hatte Bush diese Aussage Gott sei Dank mit Glaubwürdigkeit gefüllt.

Die Monate August und September waren für die Demokraten besonders schlecht: Die Swift Boat Veterans For Truth tauchten auf. Sie kritisierten und hinterfragten Kerrys Einsatz in Vietnam und behaupteten, dass keine von Kerrys Kriegsehrungen verdient gewesen sei. Diese Vorwürfe wurde Kerry in der folgenden Zeit nie mehr richtig los. Außerdem hatten die Republikaner eine sehr erfolgreiche National Convention in New York City. All dies brachte Bush im September kurzzeitig einen deutlichen Vorsprung vor Kerry ein.

Insgesamt lässt sich sagen, dass die Wahl 2004 ein Referendum über George W. Bush war. Die Demokraten hätten wohl auch einen Besen nominieren können, das Ergebnis wäre ungefähr das selbe gewesen, da die, die ihr Kreuzchen bei Kerry machten, hauptsächlich GEGEN George Bush stimmten. Auf der anderen Seite interessierten sich die, die für Bush stimmten, wenig für John Kerry, sondern wollten hauptsächlich Bush weitere vier Jahre im Amt sehen. Die Begeisterung für Bush im konservativen und Republikanischen Lager war so groß, dass die Bush campaign im ganzen Land ein engmaschiges Netz von Wahlkampfhelfern aufbauen konnte, das alsbald die "Bush troops" genannt wurde. Ähnlich wie Obama vier Jahre später, musste sich Bush 2004 um die Euphorie in seinem Lager keine Sorgen machen und so war am Wahltag das erreicht, was das Ziel der Rove-Strategie war: Eine unglaubliche Mobilisierung der Republikaner in den Wahllokalen.

Der Wahltag (2. November): Hatte sich in den Tagen vor der Wahl kein klarer Favorit herauskristallisiert, so waren die ersten Nachrichten des Tages eher schlecht für Bush. Die sich abzeichnende Wahlbeteiligung war ziemlich hoch, was auf viele Protestwähler gegen Bush schließen ließ. Die Exit Polls schienen dies zu bestätigen, da sie einen knappen Sieg für Kerry prognostizierten. Letztlich war dies alles jedoch falsch: Bush gewann mit 3 Millionen Stimmen Vorsprung und hatte so viele Stimmen in absoluter Zahl, wie nie ein Präsidentschaftskandidat vor ihm. Nur drei Staaten votierten anders als im Jahr 2000: Iowa und New Mexico stimmten diesmal für Bush. New Hampshire stimmte für den Demokratischen Kandidaten. Ohio drohte kurzzeitig, ein zweites Florida zu werden, doch am 3. November gestand John Kerry seine Niederlage ein.

Der Wahlkampf der Republikaner wurde inhaltlich wie organisatorisch als exzellent angesehen, was vor allem Karl Rove zugeschrieben wurde. George Bush nannte ihn in seiner Siegesrede "the architect". Für die Republikaner war diese Wahl ein Sieg auf ganzer Linie, denn die Entwicklung von 2002 ging weiter: In beiden Häusern des Kongresses konnte die GOP ihre Mehrheit ausbauen. Zum ersten Mal seit 1968 gelang es dem amtierenden Präsidenten wieder gewählt zu werden, während seine Partei Zugewinne im Kongress verzeichnen konnte. Zum ersten Mal seit 1900 gelang dies einem Republikaner. Auch auf bundesstaatlicher Ebene fuhren die Republikaner viele Siege ein.

Der Wahlkampf des Bush-Cheney-Lagers verdiente vor allem eine Bezeichnung: Mutig! Wie schon gesagt, verfolgte die Bush campaign größtenteils riskante, ungewöhnliche und unkonventionelle Strategien. Polarisierende Themen wurden nicht links liegen gelassen, sondern beherzt aufgegriffen. Nicht selten vertrat Bush in einer Sache genau die Meinung, die Umfragen als die unpopulärere ansahen. So wurde vor allem Führungsstärke und Charakter von Bush zum Thema gemacht. Auf Grund dieses erfolgreichen Wahlkampfes machte das Time Magazine Bush 2004 zur "Person of the Year". Im dazugehörigen Artikel schrieb Time: "Bush ran big and bold and specific all at the same time, rivaling Reagan in breadth of vision, and Clinton in tactical ingenuity. [...] For sharpening the debate until the choices bled, for reframing reality to match his design, for gambling his fortunes - and America's - on his faith in the power of leadership, George W. Bush is Time's 2004 Person of the Year."


Zwischenwahl 2006:

Von 2002 bis 2006 waren die Republikaner mit dem Zugpferd George W. Bush auf einem Zenit ihrer Geschichte angelangt: Auf nahezu allen Ebenen des Landes gaben sie politisch den Ton an. Diese Entwicklung, von der Konservative hofften, sie würde eine ganze Ära werden, nahm bei den Zwischenwahlen 2006 ein jähes Ende: Die Demokraten übernahmen in beiden Häusern des Kongresses die Mehrheit und erzielten auch auf bundesstaatlicher Ebene große Gewinne.

In den vorangegangenen zwei Jahren waren einige Dinge passiert, die sich auf die Gewinnchancen der Republikaner negativ auswirkten: George Bush war mit seinen Reformen von Medicare und Social Security nicht weit gekommen, Hurrikan Katrina hatte die Golfküste zerstört, der Irak-Krieg lief schlecht und Bush wurde von Monat zu Monat unpopulärer. Gerade als sich die GOP im Frühherbst 2006 etwas zu erholen begann und wieder Hoffnung schöpfte, gab es einige Skandale, die vor allem republikanische Kongressabgeordnete betrafen.

Der Kongress hatte insgesamt schlechte Umfragewerte und wurde als "Do-Nothing-Congress" verschrien. Die Demokraten schafften es, dies den Republikanern anzukreiden, da diese in beiden Kammern die Mehrheit stellten. Das Wahlkampfthema Nummer Eins war jedoch der Irak. Da die Situation dort immer prekärer wurde, zog dies die Republikaner immens runter. So war dies eine Zwischenwahl, in der bundespolitische Themen dominierten und nicht wie sonst lokalpolitische. Obwohl George Bush nicht auf den Wahlzetteln stand, war er sozusagen das Thema Nummer Zwei, was den Republikanern ebenfalls schadete. Viele sahen in der Wahl 2006 eine Protestwahl gegen Bush.

Es wurden jedoch einige Demokratische Abgeordnete aus den konservativen Teilen der USA neu in den Kongress gewählt, was den neuen Kongress ideologisch doch konservativer sein ließ, als die Sitzverteilung suggerierte. So glaubten konservative Kommentatoren, dass das Land keineswegs stark in die links-liberale Richtung gerutscht ist.

Die Bilanz des 110. Kongresses, der 2006 gewählt wurde, war aus Demokratischer Sicht nicht sehr erfolgreich. Gerade beim Thema Irak. War der Kongress noch mit dem Ziel angetreten, die US-Präsenz im Irak zu beenden, bewilligte er George Bush letztlich nahezu jede Kriegsfinanzierung, die er beantragte. Durch den Erfolg der Surge fanden sich nie genug Abgeordnete, um den Irak-Einsatz nicht weiter zu finanzieren.

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